Sonntag, 29. Dezember 2013

Rasten

Zu Weihnachten haben sich Diebe in Berlin einen ganz besonderen Rastplatz ausgesucht, wie wir in einem Standard-Artikel lesen.  Es geht aus dem Artikel allerdings nicht ganz klar hervor, ob sie vor oder nach der Tat eine Rast nötig hatten. Verständlich allemal, man soll ja nicht übermüdet Auto fahren.




Montag, 29. April 2013

die Weißheit mit Löffeln

Foren dienen dazu, sich über gemeinsame Probleme auszutauschen, aus Erfahrungen anderer Menschen zu lernen und Antworten auf Fragen zu bekommen, die sich auch schon viele andere, die in einer ähnlichen Situation sind, gestellt haben.


Dachte ich. Ist natürlich Quatsch. Foren dienen dazu, aufgestauten Frust los zu werden: Hier findet man ja in geballter Form jene armseligen Idioten, die alle nicht so viel Grips wie man selber mitbekommen haben, und denen man das jetzt endlich auch sagen kann.

Das Mittel der Wahl heißt natürlich: Unfreundlichkeit. Wenn jemand eine blöde Frage stellt - also das ist eine Frage, die ich blöd finde, weil ich ja die Antwort weiß - muss man ihm das mit Nachdruck auch so klar machen: Mensch, wie kann man so eine bescheuerte Frage stellen.

Noch besser wird es aber, wenn ein anderer User die Frage dann auch noch falsch beantwortet - falsch heißt in diesem Zusammenhang: anders als ich sie beantworten würde - Na aber dann!

nach dem Putzen ist vor dem Putzen 


Kürzlich bin ich auf "NetMoms" gestoßen, weil ich die uralte Frage "Vor oder nach dem Frühstück Zähneputzen?"  ein für allemal beantwortet haben wollte, und - wer hätte das gedacht: auch unter den NetMüttern ist diese Frage immer noch ungeklärt.

Hier vertritt die Fraktion "Nachher" ihren Standpunkt mit geballter Argumentationsstärke: "vorher find ich irgendwie schwachsinnig" "ja ich ess auch vor dem kochen" "Also wie manche wirklich so naiv sein können" "Denen Ihre Zähne möcht ich nicht freiwillig sehen..."

Schließlich kommt eine Mutter auf die irrwitzige Idee, im Internet bei Fachleuten nach der Antwort zu suchen und, siehe da, es wird empfohlen, vor dem Frühstück zu putzen, weil sich über Nacht Beläge bilden, die entfernt werden sollten, damit sich dort nicht leichter wieder Bakterien ansetzen.

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. "Du glaubst auch alles, oder?? Bin ZFA und diese aussage ist mehr als lächerlich"

Die Mutter, die die Antwort im Netz gefunden hatte, erkannte auch ziemlich schnell das Kompetenzniveau im Forum: "am wenigsten glaube ich netmoms ;)"

Das kann man sich aber nun wirklich nicht gefallen lassen. "du hast die weißheit mit löffeln gefressen oder??? lächerlich sind deine aussagen!!!"

(alle Rechtschreibfehler im Original)

Höflichkeit und Respekt


Ich bin nun nicht mehr der Jüngste, vielleicht fehlt mir ein wenig der Einblick in die Art, wie heute unter jungen Leuten miteinander umgegangen wird, denn ich frage mich: Würde diese Mutter, sagen wir, wenn sie im Kindergarten eine andere Mutter trifft, mit dieser genauso reden? Ich bin aber auch ein Optimist, deshalb glaube ich, dass es schon auch die Anonymität des Netzes ist, die manche dazu verleitet, ihre Erziehung (falls vorhanden) zu vergessen, wenn sie mit einem anonymen Satzgebilde eine Konversation beginnen.

Möglicherweise ist das Problem folgendes: Vielleicht hinkt die Erziehung in unserem Bildungssystem - wie immer - einfach nur der Realität hinterher. Bisher wurde zwar darauf geachtet, den Leuten technische Fähigkeiten rund um Computer und Netz zu verrmitteln (wobei sicher manche Schüler den Lehrern mehr beibringen könnten) - Der Umgang mit anderen Menschen kam dabei aber zu kurz: Die Technik, die hinter Wisch- und Pinch-Bewegungen steckt wird ja immer unwichtiger - inzwischen können auch Zweijährige problemlos mit Papas iPad umgehen - die Interaktion Mensch-Maschine ist ja in Wahrheit sehr häufig eine Interaktion Mensch-Maschine-Mensch. Hier braucht es neue Regeln - nein: neue Höflichkeitsformen, die wir schon als Kinder lernen. Nicht einzelne Foren-Regeln, nicht: wie verhalte ich mich in Social Media. Es muss ein umfassendes Bewusstsein her, wie wir mit anderen Menschen umgehen, egal ob persönlich oder vermittelt durch ein Medium.

Vielleicht muss man es heutzutage auch den Eltern noch einmal sagen: Es geht in unserer Welt nämlich in erster Linie um das Zusammenleben, dann erst um das persönliche Weiterkommen. Um dieses Zusammenleben einfacher zu gestalten, wurde die Höflichkeit erfunden und um das persönliche Weiterkommen der anderen auch zu ermöglichen, wurde der Respekt vor den Menschen erfunden.

Montag, 5. März 2012

gefangen in der Facebook Bubble

Stell dir vor, du sitzt im Kaffeehaus und liest die Tageszeitung. Dann bemerkst du, dass der Typ am Nebentisch die selbe Zeitung liest - aber irgendwas macht dich stutzig: Sieht seine Titelseite nicht anders aus, als deine? 

Tatsächlich: Wo bei dir ein großes Foto von den Unruhen in XY ist, prangt bei ihm ein Portrait der neuesten Oscar-Gewinnerin. Und als du verstohlen die Headlines seines Blattes liest, bemerkst du, dass es ganz andere Artikel sind als bei dir. Abendausgabe? Nein, es handelt sich definitiv um die selbe Ausgabe. Die Lösung erfährst du sogleich aus deiner Zeitung: Die Tageszeitung wurde personalisiert. Jeder bekommt ab sofort nur mehr das zu lesen, was ihn interessiert. Toll, denkst du. Aber dann kommt dir das doch ein wenig unheimlich vor: wer entscheidet denn jetzt, was mich interessiert?  Du erfährst: die Auswahl der Artikel wurde aufgrund deiner bisherigen Lesegewohnheiten erstellt.

Du denkst das ganze weiter: je mehr ich über mein Interessensgebiet lese, desto mehr bekomme ich davon zu sehen. Und was passiert mit den Artikeln, die ich nie lese? Die verschwinden irgendwann. Ich bin also irgendwann nur mehr von lauter "interessanten" Artikeln umgeben, aber was sonst noch auf der Welt passiert, geht an mir vorüber!

Das ganze nennt sich Filter Bubble und das gibt es schon.

Nein, nicht als Konzept in einer Schublade. Das wird schon lange praktiziert. Auf Google, auf Facebook, und wahrscheinlich auch woanders, also auf 90% des Webs.

Vor kurzem sitzen wir wieder - kommunikativ wie wir heutzutage so sind - nebeneinander im Bett, sie mit dem MacBook, ich mit dem iPad und checken parallel unsere Facebook-Seiten. Als ich zu ihr rübersehe, bemerke ich, dass unser gemeinsamer Freund H. wieder etwas interessantes gepostet hat - aber bei mir scheint er nicht auf! Ich hab ihn doch nicht versehentlich blockiert? Oder er mich? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich scrolle zurück: tatsächlich, seit vielen Tagen schon nichts mehr von ihm im Stream, bei ihr jede Menge. Was ist da los?

Die Lösung ist: Facebook hat mithilfe undurchschaubarer Algorithmen berechnet, dass mich mein Freund H. nicht zu interessieren hat. Also braucht es mir keine Aktualisierungen von ihm zu zeigen. Ich nenne das Bevormundung, und das ist etwas, das mir noch nie geschmeckt hat. Ich suche also nach einer Möglichkeit in den Einstellungen, diese Bevormundung abzuschalten. Kurz gesagt: diese Möglichkeit gibt es (praktisch) nicht.

Die von FB für jeden Freund vorgeschlagene Wichtigkeit kann eingesehen/eingestellt werden, wenn man rechts neben einem Posting auf das kleine Symbol [Pfeil nach unten] klickt. Es erscheint nebenstehendes Fenster. Falls hier "Nur wichtige Aktualisierungen" angehakt ist, kann es sein, dass man gar nichts mehr von dem Freund liest - und hier ist der Haken: wenn kein Posting mehr erscheint, kann ich auch nirgends hinklicken. Also wie jetzt? Es muss doch eine Möglichkeit geben, das für alle Freunde in meiner Freundesliste festzulegen? Gibt es, aber die schlechte Nachricht: Man muss es einzeln für jeden erledigen.

Gehe auf deine Profilseite und klicke auf "Freunde", du kriegst deine gesamte Freundesliste zu sehen. Wenn du mit der Maus über einen Namen fährst, erscheint ein kleines Fenster und in diesem rechts unten die Schaltfläche "Abonniert". bei überstreichen dieser geht wiederum ein Fenster auf und jetzt kannst du einstellen, was du von dem Freund angezeigt bekommen willst.

Was ich bis heute aber nicht weiß: Bleibt diese Einstellung für immer - oder entscheidet Facebook irgendwann wieder selbständig, dass es die Prioritäten ändern muss?

Für manche Menschen mag dieser Filter-Algorithmus von Facebook ganz praktisch erscheinen, denn schließlich will man ja nicht den ganzen Müll lesen, den die Leute so posten - aber halt: Müll? Wollen wir wirklich eine derartige Ausdrucksweise für etwas verwenden, das andere in ihrem Mitteilungsbedürfnis ganz gut finden? Denn folgendes passiert, wenn wir den Facebook Filter walten lassen: angenommen, ich habe auch Freunde in meiner Liste, die andere weltanschauliche Positionen vertreten als ich und die Freunde, mit denen ich öfters kommuniziere. Wenn diese Personen mit der Zeit nicht mehr in meinem Stream vorkommen, finde ich mich irgendwann in der "Bubble" wieder, in der nur mehr Leute mit den gleichen Ansichten posten. Es findet kein Austausch mit Andersdenkenden mehr statt, vielleicht wiegt man sich auch im Glauben, alle Freunde denken genau so wie man selber, oder die Kritiker seien verstummt. Ob das gut ist, mag jeder selber beurteilen

Was Zeitungen betrifft, stelle ich mir die Welt jedenfalls so vor: ausgebildete Redakteure stellen eine Zeitung so zusammen, dass sich jeder das heraussuchen kann, was er lesen will, darüber hinaus aber die Möglichkeit hat, auch einmal Dinge zu lesen, die er bisher noch nicht kannte (das nennt man gescheiter werden!)

Und zu Facebook: Wenn ich mich schon in die Fänge dieser Community begebe, möchte ich wenigstens selbst entscheiden können, welche Leute mich interessieren und welche nicht (als nächsten Schritt fügt FB Freunde hinzu, die zu mir passen und löscht andere, mit denen ich zu wenig gemeinsam habe?)

Passende Links zu diesem Thema:

http://en.wikipedia.org/wiki/Filter_bubble
http://www.thefilterbubble.com/
http://www.thefilterbubble.com/ted-talk

Sonntag, 4. März 2012

der Computer entwächst den Halbfachleuten

Als ich - als technikinteressierter Schüler - von einer neuen Erfindung, dem "PC" hörte, lief ich sogleich mit meinem Ersparten ins nächste Elektrogeschäft und fragte nach, ob sie denn soetwas hätten. "Personal Computer?" fragte der Verkäufer stirnrunzelnd und betonte das Personal auf dem a. "Hab ich noch nie gehört."

Eigentlich wusste ich ja selbst nicht so recht, was ich damit anfangen würde. Ich dachte, so ein Computer würde mir in erster Linie die Mathematik-Hausübungen lösen. Schließlich sagte man ja auch "Elektronen-Rechner" dazu. Und vielleicht würde ich darauf schreiben anstatt auf der alten Urania-Schreibmaschine aus den 20er-Jahren, die mir ein Großonkel vererbt hatte.

Zehn Jahre später arbeitete ich dann zum ersten Mal mit etwas, das hieß "Windows 3.1" und das war lustig, denn da waren Fensterchen, die man öffnen, schließen und größer und kleiner machen konnte - und das alles mit einem halben Entenei an der Schnur - das man "Maus" nannte. Das Konzept, das diese und ähnliche GUIs (Graphic User Interfaces) verfolgten, war von Anfang an, den "Schreibtisch" zu imitieren: So wie Blätter auf der Tischplatte übereinander geschoben werden konnten, konnte man die Fenster oder Arbeitsblätter der Programme stapeln. Ziel war letztendlich das papierlose Büro (ein Plan, der, wie wir heute wissen, wenn wir die gelben Post-it-Zettelchen am Bildschirmrand betrachten, gründlich gescheitert ist)

Fast 20 Jahre lang hat sich eigentlich nichts daran geändert, wie wir mit Computern umgehen. Tasten, Maus, Icons, Buttons, Anfasser, Wir sind gewohnt, dass alles im Computer Dateien sind, dass diese Endungen wie .exe .jpg oder .doc haben und dass alle diese Dateien irgendwie in eine Ordnerstruktur eingebunden sind und dass Computer unwirsch reagieren, wenn sie die Erweiterung nicht kennen.

Und wir wissen, dass wir einiges kaputt machen können, wenn wir die falsche Datei löschen oder verschieben. Oder wenn wir uns nicht genau an die Anweisungen einer Installationsroutine halten, oder einen Stecker zu früh rausziehen. Irgendwie sind viele von uns zu Halbfachleuten geworden. Wir haben Festplatten partitioniert und Windows neu aufgesetzt, wir haben komplizierte Programmpakete installiert und Netzwerke eingerichtet.

Genau das geht nun zu Ende.

Zwanzig Jahre lang arbeiteten wir wie Hausfrauen und -männer, die um einen Staubsauger zu bedienen, halbwegs eine Ahnung von Spannungen, Stromstärken, Drehmomenten und vom Cosinus-Phi des Elektromotors haben mussten. Ohne Zweifel ist es bei der Hausarbeit für uns alle von Vorteil, dass wir einfach nur wissen müssen, wo der Schalter ist. Den Rest überlassen wir gern den Fachleuten.

Obwohl ich nun für meinen Teil gern in den Tiefen der Betriebssysteme herumgeschraubt habe (und diese sehr häufig wieder neu aufsetzen musste), bin ich der festen Überzeugung, dass ein Computer (oder wie auch immer man das Ding nennt, mit dem man arbeitet) genau so einfach zu bedienen sein soll wie ein Staubsauger. Einschalten und das tun was man tun will.

Das was Apple und Google  und zuletzt auch Microsoft auf ihren Telefonen und Tablets vorführen, geht nun - endlich - genau in diese Richtung. Obwohl natürlich auch auf diesen Geräten Dateien in Ordnern im Hintergrund abgelegt sind (abgesehen davon, dass auf einer tieferen Ebene gar keine Ordner existieren - aber das führt jetzt wirklich zu weit), bekomme ich diese praktisch nie zu Gesicht. Brauche ich auch nicht. Und wenn ich die Bildchen hin und her schiebe, kann es schlimmstenfalls sein, dass ich Fotos oder Musikstücke ins Nirwana schicke, aber ich kann nichts im System kaputt machen. 

Ich bekomme keine Meldungsfenster zu sehen, die mich fragen, ob ich dies oder jenes auch wirklich, wirklich will, weil es zu bösen schweren Fehlfunktionen führen kann, oder welche, die mir nahelegen,  mich mit dem Systemadministrator meiner Wahl in Verbindung zu setzen. Ich werde nicht aufgefordert, irgendwelche Treiber zu aktualisieren und ich bekomme nicht zu lesen: sie haben die Lautstärkeeinstellung ihres Telefons geändert, starten sie das System neu um diese Änderung abzuschließen!

Ich glaube, mit den neuen Benutzeroberflächen, wie sie iOS, Android und Windows 8 präsentieren, sind wir nun am Weg in die Post-PC-Ära angelangt. In den einschlägigen Rezensionen neuer Versionen wird längst nicht mehr über Hardware-Kompatibilität gesprochen oder über die Ressourcen, die das Ding braucht, sondern darüber, ob Statusleisten ein- oder ausgeblendet sind und wie man die Widgets am Homescreen anordnen kann. Es ist sogar immer mehr Nebensache, auf welchem Gerät etwas läuft, wichtig ist: wie benutzerfreundlich ist der Umgang mit den Applikationen.

Wer auf der Strecke bleibt sind wir Halbfachleute. Vielleicht wird in zehn Jahren niemand mehr (außer den richtigen Fachleuten) wissen, was eine Dateierweiterung ist, oder dass man die Registry defragmentieren musste; dass man beim Hochfahren des PCs mit F8 ins BIOS kam - und hoffentlich wird niemand mehr Strg-Alt-Entf drücken müssen...



Freitag, 1. Juli 2011

Strukturierte Prokrastination oder wie man gegen Kipple gewinnt.

Versuch über die Durchführung des Ordnungmachens in einem Single-Haushalt



Prokrastination, Aufschiebeverhalten, Handlungsaufschub ist eine Bezeichnung für das Verhalten von Menschen, die das Erledigen notwendiger, aber ihnen unangenehmer Dinge immer wieder verschieben. siehe:Wikipedia
Zuerst einmal: die Wirklichkeit ist nicht, sie findet statt. Und zwar im Kopf.

Dann: es gibt keine Ordnung, die sich im Gegensatz zu einem Chaos befindet. Es gibt nur Anordnung von Dingen. Manche dieser Anordnungen bezeichnen wir als chaotisch, andere als aufgeräumt. Das ist mehr eine Geschmacksfrage.

Drittens: zuhause schaut es aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hat.


Thermodynamik.


Auch wenn Physiklehrerlein Ihnen anhand eines anfangs geordneten und durch Mischen in Unordnung geratenden Kartenspiels den 2. Hauptsatz der Thermodynamik näher bringen wollen: Kinderkacke. Jede Anornung der Karten im Spiel ist gleich wahrscheinlich, nur haben wir zur "sortierten" Reihenfolge emotional eine stärkere Affinität. Das ist alles, und hat nicht das geringste mit der Thermodynamik zu tun. Ich möchte dies daher als emotionale Unordnung bezeichnen.


Ganz anders verhält es sich, wenn sich Gegenstände mit der Zeit in Einzelteile auflösen, sich zerstreuen, dekompostieren (unser Körper mit seinen Haaren, Hautschuppen und diversen Flüssigkeiten eingeschlossen) Dies ist der unumkehrbare Prozess, der in der Thermodynamik als Zeitpfeil aufleuchtet. Die Teile der zerfallenden Entitäten sind zwar auch nur anders angeordnet, aber dadurch ändert sich ihre Funktion: ich möchte dies daher als funktionale Unordnung bezeichnen.
Philip K. Dick nennt das in seinem Roman Do Androids Dream Of Electric Sheep? (verfilmt als Blade Runner, für alle, die sich schämen müssen, das nicht zu wissen) "Kipple":

No one can win against kipple, except temporarily and maybe in one spot, like in my apartment I've sort of created a stasis between the pressure of kipple and nonkipple, for the time being. But eventually I'll die or go away, and then the kipple will again take over. It's a universal principle operating throughout the universe; the entire universe is moving toward a final state of total, absolute kippleization.

Durchführung


Unordnung lässt sich aber von philosophischen Gedanken nicht im geringsten beeindrucken. Also zur Tat.

Erinnern wir uns an Punkt eins, dann wird schnell klar: der Kampf gegen Unordnung ist ein Kampf, der im Kopf stattfindet. Wenn die Einstellung nicht die Richtige ist, wird man ihn nicht gewinnen können:

Vergessen Sie Sätze wie: "Spinnweben sind etwas ganz natürliches" "übertriebene Hygiene erzeugt nur Allergien." (denken Sie: in der Natur haben Spinnen Feinde. Im Haus übernehme ich diesen Part, hehe! Und: Sie kriegen sicher keine Allergie, wenn auf den Tellern in der Spüle nicht der Schimmelpilz wuchert!).

Vergessen Sie diese klitzekleinen Dinge, die irgendwo abgebrochen sind, jetzt am Fußboden liegen und womöglich im Staubsauger landen: Sie werden sie niemals vermissen! Besorgen Sie sich größere Müllsäcke. Seien Sie nicht zärtlich zu den Möbeln und Mauerkanten, nur wer ungestüm an die Unordnung herangeht, hat eine Chance. Denken Sie Feng Shui-mäßig: alle Dinge die Ihnen beim Aufräumen in die Hände kommen und keinen Bezug mehr zu Ihrem jetzigen Leben haben (wie: Hemden, die in den 80ern modern waren, Zeitschriften die noch auf Papier gedruckt sind, Adressbücher vor dem e-mail-Zeitalter...) weg damit. So was zieht einen nur in die Vergangenheit. Machen Sie Platz für die Zukunft.

Vergessen Sie Sparsamkeit. Die Kunst, alte Joghurtbecher, Plastiktüten und Gummiringe aufzuheben, weil man sie irgendwann einmal brauchen könnte, beherrschen heute nur mehr wenige Menschen, und die sind alle über 70. Wenn Sie es versuchen, geben Sie dem Kipple nur unnötig neue Nahrung. Trennen Sie emotionales Ordnungmachen von funktionalem: versuchen Sie nicht gleichzeitig Staub zu wischen und die Bücher im Regal nach Autoren oder Genres zu ordnen. Kommen Sie nicht auf die Idee, Möbel umzustellen oder Bilder umzuhängen, während Sie Staubsaugen: Sie sind nicht multitaskingfähig.


Strukturierte Prokrastination


Nehmen Sie sich nichts vor, außer etwas Unangenehmes!

Dies ist der Königsweg zum Ordnungmachen und eine Delikatesse unter allen Selbstbetrügereien: Nehmen Sie sich etwas Unangenehmes vor (das aber nicht unbedingt genau heute erledigt werden muss). Die Kunst ist es, sich einzureden, dass dieses Unangenehme (das um einen Grad unangenehmer sein muss als das Aufräumen, also: mit einer älteren Verwandten beim Bandagisten ein Weihnachtsgeschenk aussuchen, oder das Formular für die Arbeitnehmer-Veranlagung ausfüllen) wichtiger ist, als die Wohnung in Ordnung zu bringen. (Falls heute der letzte Einkaufstag vor Weihnachten ist, oder die Frist für den Steuerausgleich abläuft, funktioniert das ganze übrigens genau so gut umgekehrt!)


Jetzt wissen Sie also, wie man es schafft, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein, dem jederzeit ein(e) BesucherIn in den eigenen vier Wänden willkommen ist.

...und morgen werde ich auch bei mir zuhause aufräumen, ganz sicher!    

Donnerstag, 10. Juni 2010

Steve Midas Jobs berührt die Videotelefonie

Manche Dinge klingen wie eine Verheißung - aber es stellt sich heraus: keiner will sie haben.
Andere Dinge klingen wie etwas, das man nicht braucht - und werden für die Menschheit unverzichtbar.

Mobiltelefone und das Internet sind gängige Beispiele für den zweiten Fall: Ich glaube, kein einziger Science Fiction Autor hat vor der Durchsetzung des Internets auch nur die Idee in Erwägung gezogen, dass soetwas einmal benötigt werden wird (und ich meine Internet, nicht den großen Super-Positronen-Dingsbums, von dem man alle Informationen abrufen kann, inklusive der Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest) Und niemand von uns, die wir uns noch an die Vor-Handy-Ära erinnern können, seien wir ehrlich, hätte einen Schilling drauf gewettet, dass Handtelefone einmal jemanden außer Vertretern und Angebern interessieren würden.

Was wie eine gute Idee geklungen hat, waren hingegen diese beiden Dinge: Tablet PCs und Video-Telefonie. Schon seit Anfang der 90er Jahre wurden immer wieder Tablet PCs angekündigt (ab 2001 unter diesem Namen), die man mit Stift oder Finger auf einem Touchscreen bediente - Das klingt doch gut: Ein Ding, das ich halten kann wie ein Notizbuch, wo ich keinen Tisch und keine Maus brauche. Aber - warum auch immer - niemanden hat's interessiert. Videotelefonie: als Killerapplikation angekündigt im Zuge der UMTS-Frequenz-Versteigerung (Erinnert sich noch wer? Damals konnte der Staat noch richtig gut Geld einnehmen: allein in Deutschland 50 - in Worten Fünfzig Milliarden Euro nur für die Genehmigung, die Frequenzen benutzen zu dürfen, was ist dagegen die Griechenland Hilfe? - der IWF hat einen Kredit von 30 Milliarden € gewährt)  In jedem, wirklich jedem Science Fiction Film seit den frühen 40ern wird nur mit Bild telefoniert. Hat irgendwer selbst schon einmal ein Video-Gespräch geführt? Jedes  moderne Telefon hat vorne eine Kamera und kann Videocalls. Weiß das überhaupt jemand?

Dann kam Steve Jobs: er nannte den Tablet PC "iPad" und obwohl das Ding weniger kann als ein gängiges Telefon, rannten ihm seine Glaubensbrüder die Store-Türen ein. Keiner kanns erklären.

Und jetzt das: Steve Jobs nennt Video-Telefonie "FaceTime", tut so, als habe er grad was Großartiges erfunden und ist in seiner Hybris überzeugt, dass er es genauso wie mit allen anderen Apfel-Devotionalien schafft, es in Gold zu verwandeln. Dass das ganze nur von iPhone zu iPhone funktioniert (klar, das iPad hat ja keine Kamera ;-P und Telefone anderer Hersteller sind Häresie), wird die Apfeljünger nicht stören, sie haben ja alle die alte Netscape-Weisheit verinnerlicht:

it's not a bug, it's a feature!



Samstag, 27. März 2010

The Great 3D Swindle

Oh ja, 3D ist die Lösung, ich weiß. Aber von welchem Problem?

Zuerst: Was heißt hier 3D? Alles flach, keine 3. Dimension. Was wir heutzutage mit Avatar und Alice zu sehen bekommen, ist bestenfalls eine 3D-Simulation. Eigentlich sollte es "stereoskopische Filme" heißen, aber das klingt nach 19. Jahrhundert. Und genau so alt ist die ganze Chose auch. Das einzige, das sich geändert hat, sind die Computerprogramme, die die beiden Bilder bauen. Aber bei aller Computertechnik bleibt der 3D-Effekt so spannend wie eine 3D-Postkarte aus Mariazell. Wenn das schon toll wäre, müssten diese Dinger ja einen reißenden Absatz finden. Da sie das aber nicht tun, bleibt die Frage: wozu 3D im Film?

Schnitt

Film ist die großartigste Erfindung seit der Einführung der Schrift. Film ist viel genialer, als sich das die Brüder Lumiere einst vorstellen konnten, denn im Film werden nicht einfach bewegte Szenen eingefangen, im Film funktioniert etwas, das man eigentlich nicht erwarten konnte: Der Schnitt. Interessanterweise ist das was bei einem Filmschnitt passiert, genau die Art und Weise, wie unser Sehen funktioniert: Wir leben nicht in einem kontinuierlichen Strom eines bewegten Bildes, das in unsere Augen strömt, wir leben in Szenen.

Sakkaden

Bei jeder Augenbewegung passiert etwas unerwartetes: das Bewusstsein für das gesehene Bild wird abgeschaltet: Die Augen stehen still, wir sehen - das Bewusstsein wird abgeschaltet - die Augen bewegen sich - die Augen stehen still - das Bewusstsein wird wieder eingeschaltet. Das "Loch" dazwischen wird zum Verschwinden gebracht, indem die Erinnerung daran einfach nicht existiert. Die "Szenen" schließen nahtlos aneinander an. Wer das nicht glaubt, mache folgendes Experiment: er oder sie stelle sich vor einen Spiegel und beobachte die eigenen Augen. Man blicke sich abwechselnd ins linke und ins rechte Auge: Niemals werden wir auch nur einen kleinen Ruck der Augenbewegung erhaschen: jedes Mal, wenn sich das Auge bewegt, wird unser Bewusstsein kurz ausgeschaltet. Diese Augenbewegungen mit eingebautem "Schnitt" nennt man Sakkaden.

Unser Sehsystem hat nun die Erwartungshaltung, dass die Welt nach der Augenbewegung genau die gleiche ist wie vorher. Diese Erwartung ist so stark, dass sie z.B. verhindert, dass wir in den bekannten 5-Fehler-Suchbildern die Unterschiede schnell erkennen. Und diese Erwartungshaltung ist es auch, die bewirkt, dass wir uns nach einem Filmschnitt in der gleichen Geschichte wiederfinden, und uns nicht jedes mal neu im "Raum" orientieren müssen. (Wer kennt Lynchs Mulholland Drive? Schon einmal vor und zurückgespult und beobachtet, was nach einem unverdächtigen Schnitt plötzlich alles anders ist? Und: man bekommt es beim ersten mal nicht mit!)

Ton, Farbe, 3D

Der Schnitt ist das zentrale Element im Film, alles andere gruppiert sich zwanglos herum: Ton, Farbe, 3D. Ja, wir tendieren dazu, gesprochene Worte mit den Ohren zu hören und nicht zu lesen. Trotzdem können wir die Dialoge in einem Stummfilm auch mitlesen, weil wir sie in unserem Kopf sozusagen "hören". Wir sehen in Farbe. Wir können auch S/W sehen, das funktioniert, weil die Bildinformation: Formen, Bewegung, Bedeutungsinhalte - an einer anderen Stelle und von anderen Nervenbahnen verarbeitet werden als die Farbe. Farbe ist sozusagen ein Goodie der Evolution, mit der sie unter den Säugetieren nur uns Affen so reich beschenkt hat.

Und wir besitzen Richtungshören und stereoskopisches Sehen. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Beide Fähigkeiten werden heute im Kino bedient: Surround Sound hat ziemlich unaufgeregt die Multiplex-Säle durchwachsen, 3D-Bild wird wieder einmal propagiert. Beides birgt seine Tücken. Das Problem mit dem Richtungshören lässt sich leicht von guten Sound-Designern lösen. Schlechte machen dagegen gern folgenden Fehler: Das Bild schaut so aus: Person A im Zentrum, spricht, von links nähert sich nur indirekt an den Reaktionen As erkennbar, sprechend, Person B. Schnitt. Jetzt sind beide Personen zu sehen. Beide im Zentrum. Wenn der Herr Tontechniker in Szene 1 die Stimme von ganz weit links kommen lässt, ist das toll, aber was passiert dann? Schnitt. Unsere Augen denken, aha eine Sakkade. Kein Problem fürs Sehen, aber plötzlich springt der Ton der Stimme ins Zentrum. Die Ohren machen keine Sakkaden (die können wir ja auch nicht so gut bewegen). Wie gesagt, mit ein paar Tricks geht das schon. Wir sind ja Augentiere und keine Ohretiere, so wichtig sind die Richtungsinformationen dann doch wieder nicht.

Ganz anders verhält es sich mit dem stereoskopischen Sehen. Wiederum könen wir Tiefe und Entfernung auch ohne 3D-Brille sehen: Wir rennen auch mit einem Auge nicht gleich gegen jede Wand: Das Sehsystem verarbeitet verschiedene Hinweise auf den Verdächtigen "Entfernung". Hauptsächlich Perspektiven, das "Wissen" über die wahre Größe von Dingen und Menschen (niemand glaubt, dass der Typ im Hintergrund ein Mensch mit 10cm Körpergröße ist) und die Verschiebung im Blickfeld, wenn wir uns (respektive die Kamera) bewegen. Zusätzlich wertet das Sehsystem noch die leicht unterschiedlichen Blickwinkel beider Augen, die Muskelanstrengung beim Betrachten nähergelegener Objekte sowie den Fokussieraufwand der Linse aus. Diese Zusatzfeatures, die wir den eng beieinander stehenden Augen zu verdanken haben, bemerken wir im Alltag kaum: sie bleiben meist unbewusst. Was auch gut so ist, denn sonst würden wir dauernd bemängeln, dass wir immer irgendetwas doppelt sehen: fokussieren wir auf die Nähe, sind Dinge in der Entfernung doppelt, fokussieren wir auf die Entfernung, sind Dinge in der Nähe doppelt. Dass uns das nicht weiter stört, hängt auch vor allem damit zusammen, dass wir nur entweder nah oder fern scharf sehen. der Rest der Szene ist in gnädige Tiefenunschärfe gehüllt. Das ist der Punkt.

Wenn man uns im Kino 3D-Effekte aufs bebrillte Auge drückt, hat man die Wahl, Vorder- und Hintergrund scharf zu zeigen: das ist unnatürlich und irritierend. Oder: z.B. den Hintergrund unscharf zu zeigen. Wenn wir aber dann den Hintergrund ansehen wollen (weil wir zum Beispiel selbst entscheiden wollen, was wir ansehen wollen) dann bleibt er unscharf. Das ist unnatürlich und irritierend. Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt: nur mehr ganz genau das anzusehen, das man uns vorschreibt. So will ich Kino aber nicht sehen.

Wenns nur um den 3D-Effekt geht, halte ich mich an den alten View Master