Montag, 26. Januar 2009

Gedanken zum Darwin-Jahr

vor 200 Jahren wurde Charles Darwin geboren, vor 150 Jahren veröffentlichte er sein entscheidendes Werk On the Origin of Species.

Und dennoch, will es scheinen, kann sich seine Theorie nicht endgültig durchsetzen, bekommt sie Konkurrenz – wissenschaftliche Konkurrenz – in Form von „Intelligent Design“.

Zuerst einmal: ich kann alle beruhigen, die Angst haben, sie hätten in der Schule umsonst Evolutionstheorie gebüffelt. Die Evolutionstheorie bekommt keine Konkurrenz. Denn alles, was in letzter Zeit unter dem Titel „Kreationismus“ und „Intelligent Design“ geschrieben wird, ist keine wissenschaftliche Gegentheorie, es ist schlicht eine sehr genau geplante Einführung einer Kontroverse, um fundamentalistisch-christliches Gedankengut in die Gesellschaft einzuschleusen (betrieben ausschließlich von Mitgliedern der Konservativen Denk-Fabrik Discovery Institute in Seattle).

Dass die Kontroverse geplant, Streit gewollt ist, war spätestens 2005 klar, als auch von offizieller Seite die Authentizität des sogenannte Wedge-Documentes bestätigt wurde, in dem die kurz- und langfristigen Ziele der Intelligent-Design-Bewegung dargelegt wurden.

Um auch der geneigten Laiin und dem geneigten Laien darzustellen, dass hier kein ebenbürtiger Konkurrent in den Ring steigt, möchte ich kurz umreißen, worum es bei dem provozierten Konflikt geht:

Darwinismus

Ismen sind natürlich prinzipiell zu hinterfragen, schreibt ja sogar Wikipedia:

Das Suffix -ismus (...) ist ein Mittel zur Wortbildung durch Ableitung (Derivation). Das entstandene Wort bezeichnet ein Abstraktum, oft ein Glaubenssystem, eine Lehre, eine Ideologie oder eine geistige Strömung in Geschichte, Wissenschaft oder Kunst.

Deshalb sollten wir lieber den synonymen Begriff Darwinsche Evolutionstheorie verwenden, denn darum geht es: um eine wissenschaftliche Theorie, die die Gesetzmäßigkeiten beschreibt, nach denen sich biologische Systeme von Generation zu Generation verändern.

Die Prinzipien sind relativ einfach, und es sind genau 3:

1. Reproduktion/Vererbung: Eine Anzahl von Einheiten müssen fähig sein, Kopien von sich selbst anzufertigen, die ebenfalls reproduktionsfähig sind und Eigenschaften erben. Dabei werden verschiedene Variationen rekombiniert.

2. Variation: Es muss eine Bandbreite von verschiedenen Merkmalen in der Population der Einheiten gegeben sein. Es muss einen Mechanismus geben, der neue Variationen in die Population einführt (zum Beispiel durch ungenaue Replikation).

3. Selektion: Vererbte Merkmale müssen (auf längere Sicht gesehen) die Reproduktionsfähigkeit der Einheiten beeinflussen, entweder durch Überlebensfähigkeit (natürliche Selektion) oder die Fähigkeit, für die Reproduktion notwendige Partner zu finden (sexuelle Selektion).

Und das war’s. Allein mit diesen drei Prinzipien lässt sich praktisch alles, was uns vor das Biologen-Auge (oder dessen Seziertisch) kommt, erklären. Mehr noch, der Genetiker und Evolutionsbiologe Theodosius Dobzhansky ging sogar so weit, zu sagen: „Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Licht der Evolution.“

die berühmte Fehlübersetzung

Dass Darwins Evolutionstheorie im deutschen Sprachraum in ein schiefes Licht geraten ist, hat hauptsächlich zwei Gründe. Erstens: Der englische Satz „Survival of the fittest“ (fit=angepasst) wurde entweder peinlicherweise oder in vollem Bewusstsein falsch übersetzt: es heißt nicht Überleben des Stärksten. Zweitens: Besonders die Vertreter des Sozialdarwinismus, welchen man als vorsätzliche Dummheit bezeichnen muss, haben diese Fehlübersetzung nur zu gerne in ihre Rassenidiotie übernommen.

Merkmale einer wissenschaftlichen Theorie

Als wissenschaftliche Theorie muss die Evolutionstheorie, so wie alle anderen Theorien auch, bestimmte Kriterien erfüllen:

  • Konsistenz (innere und äußere Widerspruchsfreiheit)
  • Sparsamkeit (sparsam in den vorgeschlagenen Strukturen oder Erklärungen, siehe Ockhams Rasiermesser)
  • Nützlichkeit (beschreibt und erklärt beobachtbare Phänomene)
  • Empirische Prüfbarkeit und Falsifizierbarkeit (siehe Falsifizierbarkeit)
  • Begründung auf vielen Beobachtungen, oft in der Form kontrollierter, wiederholbarer Experimente.
  • Korrigierbarkeit und Dynamik (wird geändert, wenn neue Daten entdeckt werden)
  • Progressivität (ist besser als vorhandene Theorien)
  • Vorläufigkeit (macht das Zugeständnis, dass sie nicht richtig sein könnte, statt Sicherheit vorzugeben)

Neo-Kreationismus / Intelligent Design

Der Name Intelligent Design statt Neo-Kreationismus wird erst verwendet, seit der Supreme Court der Vereinigten Staaten im Fall Edwards v. Aguillard (1987) entschied, dass der Kreationismus im Lehrplan von öffentlichen Schulen verfassungswidrig sei. Beide Ausdrücke bezeichnen die Ansicht, wonach es wissenschaftlich nicht haltbar sei, dass Komplexität, wie sie uns bei Lebewesen entgegentritt, rein naturalistisch, ohne Einbeziehung eines intelligenten Schöpfers, entstanden sein kann.

Hauptargumente für ID sind dabei immer einzelne Beispiele aus der Biologie, bei denen die Wissenschaft noch nicht alle Details klären konnte. Werden die Zusammenhänge dann klarer, zieht sich ID von diesen Beispielen zurück auf andere. Man hat daher den Gott der Kreationisten als „Lückenbüßer-Gott“ bezeichnet, der immer dann herhalten muss, wenn die Wissenschaft (noch) keine genauen Erkenntnisse hat. Dass diese traurigen Gottesbeweise wohl nicht im Sinne selbstbewusster Christen sein können, versteht sich von selbst.

Dass ID mehr von einer Ideologie als von einer Theorie hat, lässt sich auch an einem strukturellen Grundproblem erkennen: Zwar wird Kausalität zur Erklärung herangezogen: Komplexe Strukturen haben ihren Ursprung in einem intelligenten Schöpfer; dieser wird aber nicht weiter erläutert. Sich auf ein Etwas zu berufen, das nicht weiter erklärt wird, um den Ursprung von etwas anderem (den Menschen selbst) zu erklären, ist aber nicht viel mehr als ein Zirkelschluss und die neue Frage, die von der Erklärung aufgeworfen wird, ist so problematisch wie die Frage, welche die Erklärung beantworten soll.

Wenn wir die Aussagen des IDs Punkt für Punkt an den zuvor vorgestellten Kriterien für wissenschaftliche Theorien messen, stellen wir fest, dass es keinen einzigen Punkt erfüllt. In Wahrheit kann man die Kernaussagen der Vertreter des ID auf einen Satz reduzieren: „Ich verstehe nicht, wie die Evolution funktioniert, also muss sie falsch sein.“ Wir haben es also hierbei mit einer Mischung aus Denkfaulheit und Arroganz zu tun, nicht mehr. Ebenso könnte man Gründe anführen, warum die Erde flach sein muss, oder dass es keine dem Auge unsichtbaren Strahlen gibt.


Fazit

Es gibt keine Kontroverse Darwinismus-Kreationismus. Es ist allein das Ziel einer bestimmten Gruppe rund um die Mitarbeiter des Discovery Institute, es so erscheinen zu lassen.


Weiterführende Links und Quellen:

Charles Darwin auf Wikipedia

Understanding Evolution (Universität Berkeley)

Beitrag auf Oe1 (österreichischer Rundfunk)

Beiträge zum Thema Evolution auf Zeit Online

Leserfragen zur Evolution auf Wissen.de

Intelligent Design auf Wikipedia

das Discovery Institute auf Wikipedia


Samstag, 24. Januar 2009

Der Palolowurm

Wer mich kennt, kennt auch die Geschichte vom Palolowurm. Jenen, die sie noch nicht gehört haben, sei sie hier noch einmal kurz erzählt.

Im Jahre 1847 wurde erstmals ein Tier beschrieben, von dem man nur den Hintern kannte.

Erst 1898 wurde erstmals sein Vorderkörper gefunden.

Palola viridis

Nun ist es nicht etwa so, dass dieses Tier so selten ist, ganz im Gegenteil! Vor den Inseln Polynesiens lebt, versteckt im Hartsubstrat des Meeresbodens, in großer Zahl der Palolowurm Palola viridis. Es handelt sich dabei um einen Vertreter der Klasse der Ringelwürmer, zu der auch unser alter Bekannter, der Regenwurm zählt. Der Samoa-Palolo wird 70cm lang (wenn er seinen Hinterleib noch hat) und ernährt sich von Algen und Korallen. So lebt er das ganze Jahr hindurch ein unscheinbares Leben und kommt gerade mal während der Dämmerung kurz aus seinen selbstgegrabenen Gängen hervor. Bis zu jenem Tag.

Genau am dritten Tag nach dem dritten Mondviertel im Oktober trennen sich die Würmer von ihren Hinterleibern. Das hat natürlich, wie immer bei so drastischen Einschnitten, sexuelle Gründe: die Hinterleiber rudern in eleganten spiraligen Bahnen an die Meeresoberfläche, wo sie explodieren und Eizellen bzw Spermien freigeben, welche sich selbstredend verbinden, wieder an den Meeresboden absinken und dort zu Trochophora-Larven heranreifen, der typischen Larvenform der Polychaeten.

Das erstaunliche an der Sache ist nun, dass alle Würmer besagtes Erlebnis exakt zur selben Zeit haben: sie alle, das heißt, die Hinterleiber (Epitoke) kommen zur selben Zeit an die Meeresoberfläche und bilden dort eine Meterdicke Schicht! Die Eingeborenen der Inseln haben natürlich nicht verabsäumt, täglich den Mond zu beobachten, um dieses Ereignis nicht zu verpassen: jetzt rudern, waten, schwimmen sie hinaus, schöpfen die eiweißreiche Ernte mit großen Körben und feiern das Palolofest: Mblalolo lailai. Die Würmer werden auf Bananenblättern gedünstet, gebraten, gekocht, roh gegessen, wie auch immer, der Palolo ist eine Delikatesse.

Montag, 5. Januar 2009

Wir bauen uns ein Spektroskop

Ich habe geschrieben:

Der Mensch kann mit unbewaffnetem Auge nicht feststellen, ob eine Lichtquelle ein Linienspektrum oder ein kontinuierliches Spektrum besitzt.

Das stimmt auch, aber zumindest leicht bewaffnet geht’s. Es gibt da einen ebenso simplen wie einfachen Trick: wir nehmen unser Spektroskop. Doch, doch, wir haben eins! Meist sogar viele davon. Die nennt man auch Compact Discs. Diese Scheiben haben ja, wie wir alle wissen, eine Rille (nicht zwei, so wie eine Schallplatte). Entlang dieser etwa 6km langen Spur liest der Laser die Musik oder die Diplomarbeit oder die Pornovideos aus. Die benachbarten Bereiche dieser Spirale sind etwa 1,6µm voneinander entfernt. Das ist eine Größenordnung, die schon der Wellenlänge des Lichts nahe kommt: Das Rot des Lasers, der eine CD ausliest, hat eine Wellenlänge von 0,78µm. Die enge Spirale wirkt also auf das auftreffende weiße Licht wie ein Regenbogen-Hologramm: Durch Interferenz-Erscheinungen werden bestimmte Wellenlängen verstärkt, andere ausgelöscht. Welche das sind, steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Einfallswinkel bzw. Blickwinkel. Daher erscheint jede Lichtquelle, die sich in einer CD spiegelt, als ausgedehntes Spektrum – voila!

Jetzt können wir auch unterscheiden, ob das Licht einer Lampe ein kontinuierliches Spektrum besitzt, oder ein Linienspektrum:

  
hier spiegelt sich ein Halogen-Spot      ...und hier eine Energiesparlampe.

Jeder ist nun zu eigenem Experimentieren aufgerufen: Wer noch immer glaubt, mit einem gelben Lampenschirm könne man aus einer Energiesparlampe eine Glühlampe machen, möge dies mit dem CD-Spektroskop überprüfen: aus einem Linienspektrum wird nun mal kein kontinuierliches, auch wenn noch so viele Filter davor sind. Filter können nur Farben wegnehmen und keine dazuerfinden. Ebenso könnte man versuchen, aus einem Sieb unten mehr Mehl heraus zu bekommen, als man oben hinein schüttet.


(Dieser Post ist ein Update zu: Glühlampen-Verbot)