Wer mich kennt, kennt auch die Geschichte vom Palolowurm. Jenen, die sie noch nicht gehört haben, sei sie hier noch einmal kurz erzählt.
Im Jahre 1847 wurde erstmals ein Tier beschrieben, von dem man nur den Hintern kannte.
Erst 1898 wurde erstmals sein Vorderkörper gefunden.
Nun ist es nicht etwa so, dass dieses Tier so selten ist, ganz im Gegenteil! Vor den Inseln Polynesiens lebt, versteckt im Hartsubstrat des Meeresbodens, in großer Zahl der Palolowurm Palola viridis. Es handelt sich dabei um einen Vertreter der Klasse der Ringelwürmer, zu der auch unser alter Bekannter, der Regenwurm zählt. Der Samoa-Palolo wird 70cm lang (wenn er seinen Hinterleib noch hat) und ernährt sich von Algen und Korallen. So lebt er das ganze Jahr hindurch ein unscheinbares Leben und kommt gerade mal während der Dämmerung kurz aus seinen selbstgegrabenen Gängen hervor. Bis zu jenem Tag.
Genau am dritten Tag nach dem dritten Mondviertel im Oktober trennen sich die Würmer von ihren Hinterleibern. Das hat natürlich, wie immer bei so drastischen Einschnitten, sexuelle Gründe: die Hinterleiber rudern in eleganten spiraligen Bahnen an die Meeresoberfläche, wo sie explodieren und Eizellen bzw Spermien freigeben, welche sich selbstredend verbinden, wieder an den Meeresboden absinken und dort zu Trochophora-Larven heranreifen, der typischen Larvenform der Polychaeten.
Das erstaunliche an der Sache ist nun, dass alle Würmer besagtes Erlebnis exakt zur selben Zeit haben: sie alle, das heißt, die Hinterleiber (Epitoke) kommen zur selben Zeit an die Meeresoberfläche und bilden dort eine Meterdicke Schicht! Die Eingeborenen der Inseln haben natürlich nicht verabsäumt, täglich den Mond zu beobachten, um dieses Ereignis nicht zu verpassen: jetzt rudern, waten, schwimmen sie hinaus, schöpfen die eiweißreiche Ernte mit großen Körben und feiern das Palolofest: Mblalolo lailai. Die Würmer werden auf Bananenblättern gedünstet, gebraten, gekocht, roh gegessen, wie auch immer, der Palolo ist eine Delikatesse.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen