Sonntag, 4. März 2012

der Computer entwächst den Halbfachleuten

Als ich - als technikinteressierter Schüler - von einer neuen Erfindung, dem "PC" hörte, lief ich sogleich mit meinem Ersparten ins nächste Elektrogeschäft und fragte nach, ob sie denn soetwas hätten. "Personal Computer?" fragte der Verkäufer stirnrunzelnd und betonte das Personal auf dem a. "Hab ich noch nie gehört."

Eigentlich wusste ich ja selbst nicht so recht, was ich damit anfangen würde. Ich dachte, so ein Computer würde mir in erster Linie die Mathematik-Hausübungen lösen. Schließlich sagte man ja auch "Elektronen-Rechner" dazu. Und vielleicht würde ich darauf schreiben anstatt auf der alten Urania-Schreibmaschine aus den 20er-Jahren, die mir ein Großonkel vererbt hatte.

Zehn Jahre später arbeitete ich dann zum ersten Mal mit etwas, das hieß "Windows 3.1" und das war lustig, denn da waren Fensterchen, die man öffnen, schließen und größer und kleiner machen konnte - und das alles mit einem halben Entenei an der Schnur - das man "Maus" nannte. Das Konzept, das diese und ähnliche GUIs (Graphic User Interfaces) verfolgten, war von Anfang an, den "Schreibtisch" zu imitieren: So wie Blätter auf der Tischplatte übereinander geschoben werden konnten, konnte man die Fenster oder Arbeitsblätter der Programme stapeln. Ziel war letztendlich das papierlose Büro (ein Plan, der, wie wir heute wissen, wenn wir die gelben Post-it-Zettelchen am Bildschirmrand betrachten, gründlich gescheitert ist)

Fast 20 Jahre lang hat sich eigentlich nichts daran geändert, wie wir mit Computern umgehen. Tasten, Maus, Icons, Buttons, Anfasser, Wir sind gewohnt, dass alles im Computer Dateien sind, dass diese Endungen wie .exe .jpg oder .doc haben und dass alle diese Dateien irgendwie in eine Ordnerstruktur eingebunden sind und dass Computer unwirsch reagieren, wenn sie die Erweiterung nicht kennen.

Und wir wissen, dass wir einiges kaputt machen können, wenn wir die falsche Datei löschen oder verschieben. Oder wenn wir uns nicht genau an die Anweisungen einer Installationsroutine halten, oder einen Stecker zu früh rausziehen. Irgendwie sind viele von uns zu Halbfachleuten geworden. Wir haben Festplatten partitioniert und Windows neu aufgesetzt, wir haben komplizierte Programmpakete installiert und Netzwerke eingerichtet.

Genau das geht nun zu Ende.

Zwanzig Jahre lang arbeiteten wir wie Hausfrauen und -männer, die um einen Staubsauger zu bedienen, halbwegs eine Ahnung von Spannungen, Stromstärken, Drehmomenten und vom Cosinus-Phi des Elektromotors haben mussten. Ohne Zweifel ist es bei der Hausarbeit für uns alle von Vorteil, dass wir einfach nur wissen müssen, wo der Schalter ist. Den Rest überlassen wir gern den Fachleuten.

Obwohl ich nun für meinen Teil gern in den Tiefen der Betriebssysteme herumgeschraubt habe (und diese sehr häufig wieder neu aufsetzen musste), bin ich der festen Überzeugung, dass ein Computer (oder wie auch immer man das Ding nennt, mit dem man arbeitet) genau so einfach zu bedienen sein soll wie ein Staubsauger. Einschalten und das tun was man tun will.

Das was Apple und Google  und zuletzt auch Microsoft auf ihren Telefonen und Tablets vorführen, geht nun - endlich - genau in diese Richtung. Obwohl natürlich auch auf diesen Geräten Dateien in Ordnern im Hintergrund abgelegt sind (abgesehen davon, dass auf einer tieferen Ebene gar keine Ordner existieren - aber das führt jetzt wirklich zu weit), bekomme ich diese praktisch nie zu Gesicht. Brauche ich auch nicht. Und wenn ich die Bildchen hin und her schiebe, kann es schlimmstenfalls sein, dass ich Fotos oder Musikstücke ins Nirwana schicke, aber ich kann nichts im System kaputt machen. 

Ich bekomme keine Meldungsfenster zu sehen, die mich fragen, ob ich dies oder jenes auch wirklich, wirklich will, weil es zu bösen schweren Fehlfunktionen führen kann, oder welche, die mir nahelegen,  mich mit dem Systemadministrator meiner Wahl in Verbindung zu setzen. Ich werde nicht aufgefordert, irgendwelche Treiber zu aktualisieren und ich bekomme nicht zu lesen: sie haben die Lautstärkeeinstellung ihres Telefons geändert, starten sie das System neu um diese Änderung abzuschließen!

Ich glaube, mit den neuen Benutzeroberflächen, wie sie iOS, Android und Windows 8 präsentieren, sind wir nun am Weg in die Post-PC-Ära angelangt. In den einschlägigen Rezensionen neuer Versionen wird längst nicht mehr über Hardware-Kompatibilität gesprochen oder über die Ressourcen, die das Ding braucht, sondern darüber, ob Statusleisten ein- oder ausgeblendet sind und wie man die Widgets am Homescreen anordnen kann. Es ist sogar immer mehr Nebensache, auf welchem Gerät etwas läuft, wichtig ist: wie benutzerfreundlich ist der Umgang mit den Applikationen.

Wer auf der Strecke bleibt sind wir Halbfachleute. Vielleicht wird in zehn Jahren niemand mehr (außer den richtigen Fachleuten) wissen, was eine Dateierweiterung ist, oder dass man die Registry defragmentieren musste; dass man beim Hochfahren des PCs mit F8 ins BIOS kam - und hoffentlich wird niemand mehr Strg-Alt-Entf drücken müssen...



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen